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Mythencheck

Wohnraumförderung im Rahmen der Ortsplanungsrevision:

ein Mythen-Check

FLAWIL Die Gemeinde erarbeitet derzeit die Ortsplanung für eine nachhaltige Innenentwicklungs- und Wohnraumstrategie. Mit verschiedene Veranstaltungen wurde die Bevölkerung zum Austausch und zur Partizipation eingeladen. Im regen Austausch tauchten verschiedene Fragen und Mythen auf, welche die Gemeinde klärt. 

Behauptung 1: «Eine Grünflächenziffer im schon dicht besiedelten Gebiet schränkt die Bauherrschaft ein»

Die Grünflächenziffer ist auf kantonaler gesetzlicher Ebene vorgeschrieben und hat nur indirekt einen Einfluss auf die bauliche Dichte. Grünflächen können nicht oberirdisch überbaut werden, wohl aber unterirdisch und dürfen nicht versiegelt werden. Die politische Gemeinde kann im Rahmennutzungsplan festlegen, dass die Dachbegrünung angerechnet werden kann. Unter Berücksichtigung der Bestandesgarantie und aus Gründen der Verhältnismässigkeit sind keine Regelungen für Bestandsbauten vorgesehen. Die Grünflächenziffer erfüllt damit siedlungsgestalterische und – in beschränktem Umfang – ökologische Funktionen. Der Gemeinderat kann den Umfang (in Prozent der Grundstücksfläche) der Grünflächenziffer im neuen Baureglement festlegen.

 

Behauptung 2: «Verdichtung führt zu Neubauten, welche tendenziell teurer sind.»

Diese Aussage ist korrekt – häufig sind Mieten in Neubauten höher als in Bestandesbauten. Neubauten führen auch öfter zu Abrissen und damit zu Leerkündigungen. Demgegenüber steht jedoch der entlastende Effekt auf den Wohnungsmarkt durch Neubauten: Denn meist wird durch eine neu erstellte Wohnung eine alte, günstigere Wohnung frei. So gelangen jährlich dutzende bestehende Wohnungen wieder auf den Markt, weil ihre einstigen Mieter in einen Neubau ziehen. Auch kann Verdichtung durch Anbauten oder Aufstockungen erfolgen. Die wichtigste Frage ist jedoch: wie kann möglichst zusätzlicher Wohnraum entstehen? Dafür würde eine Erhöhung der zulässigen Dichte, wie sie in den Szenarien 2 und 3 ermöglicht werden, reichen. Das mässige Erhöhungen der Dichten ausreichen, zeigt eine Untersuchung von avenir suisse vom Juli 2025.

 

Behauptung 3: «W24? WG 24? Bauen wir nur noch Hochhäuser?»

Nein, W24 bzw WG 24 sind per Definition keine Hochhäuser. Die Gesamthöhe eines Gebäudes darf in dieser Kategorie maximal 24 Meter hoch sein. Per Definition im kantonalen Baugesetz gelten Gebäude als Hochhäuser, deren Gesamthöhe 30 Meter übersteigt. Somit werden in Flawil keine Hochhäuser gebaut. Es wird allerdings eine Möglichkeit zu höheren Bauten geschaffen. Zum Vergleich: Das Gebäude «5-Egg» am Bahnhofplatz hat eine Gebäudehöhe von 16.3 Metern. Ein W24-Gebäude würde 2-3 Stockwerke höher sein.   Allerdings sind gemäss den Szenarien 2 und 3 lediglich entlang der Bahnhofstrasse und im Bereich des Bahnhofplatzes Gebäude mit einer Gebäudehöhe von 24 Metern vorgesehen.

 

Behauptung 4: «Neue Bestimmungen im Baureglement zur Qualität sind eine unnötige Überregulierung»

Die Überregulierung im Bauwesen erschwert das Bauen in der Schweiz. Qualität entsteht jedoch nicht zufällig und ist in der Innenverdichtung, wodurch Menschen immer näher nebeneinander wohnen, umso wichtiger. Architektonische und ortsbauliche Qualität wird durch klare Vorgaben und gemeinsames Engagement geplant. Ferner bedeutet Qualität nicht, dass alles neu gebaut werden muss. Vielmehr sind auch Anbauten und Ausbauten ausdrücklich erwünscht. Die Gemeinde Flawil sucht mit den vorgeschlagenen neuen Artikeln im Baureglement einen liberalen Ansatz: das Anreizsystem. Wer als Bauherr bereit ist, eine besonders hochwertige Gestaltung seiner Baute umzusetzen, kann vom Baureglement abweichen und wird belohnt: Gebäudehöhe plus 1.5 Meter, geringere Grenzabstände, höhere Gebäudelänge und Gebäudebreite. Wer nicht von diesen Anreizen profitieren will, kann uneingeschränkt nach den Bestimmungen im neuen Baureglement bauen. Die Verdichtung wird eher akzeptiert, wenn die architektonische Qualität stimmt.

 

Behauptung 5: «Verdichten im Zentrum bedeutet, das ausserhalb des Zentrums nicht mehr verdichtet wird.»

Nein, auch ausserhalb des Zentrums (respektive ausserhalb des Projektperimeters der «10-Minuten-Nachbarschaft») ist die Entwicklung und Verdichtung zentral. Der neue Zonenplan wird auch ausserhalb des Zentrums für punktuelle Verdichtungen Anreize schaffen. Im Rahmen von Sondernutzungsplänen sind zudem überall ausserhalb des Zentrums grössere Überbauungen und Verdichtungen möglich.

 

Behauptung 6: «Die heutigen Arbeitszonen werden aufgehoben»

Nein, die bisherigen Arbeitsplatzgebiete im Siedlungsgebiet werden belassen. Punktuell sind im zukünftigen Zonenplan – nicht nur im Zentrum – durch die Umwandlung von reinen Wohnzonen in Wohn-Gewerbezonen im gesamten Siedlungsgebiet neue Arbeitsplatzgebiete möglich. Weiter wird geprüft eine neue Bestimmung im zukünftigen Baureglement geprüft, welche eine Erdgeschosshöhe von rund 3.5 Metern vorschreibt. Damit könnte flexibel auf die marktspezifische Nachfrage nach Wohn- oder Gewerberaum reagiert werden: der Eigentümer kann das Erdgeschoss als Wohnraum oder Gewerberaum nutzen.

 

Behauptung 7: «Die Gemeinde muss zur Umsetzung der Szenarien neue Fuss- und Radwege bauen. Es braucht zusätzliche Busverbindungen in die Aussenquartiere, damit einfacher im Zentrum eingekauft werden kann (weil dort ja nur noch neue Läden angesiedelt werden).»

Die Förderung des Langsamverkehrs (Fuss- und Veloverkehr) ist der Gemeinde ein grosses Anliegen und auch ein Schwerpunkt in den Legislaturzielen 2025 - 2028. Zusätzliche Busverbindungen werden vom Kanton St.Gallen geprüft und bestellt. Die Gemeinde kann diesbezüglich lediglich Vorschläge machen. Jedoch ist ein neues Erschliessungskonzept für den öffentlichen Verkehr in Flawil in Arbeit, welches insbesondere die Anbindung der Quartiere verbessern soll.

 

Behauptung 8: «Wenn wegen der geplanten Aufzonung neben meinem Haus ein hoher Neubau erstellt wird, verliert mein Grundstück an Wert»

In der Schweiz führt ein Neubau in der Nachbarschaft im Allgemeinen nicht zu einer Wertminderung der eigenen Immobilie, da es grundsätzlich kein Recht auf unverbaute Aussicht gibt und der Nachbar gemäss Bauvorschriften bauen darf. Eine Wertminderung ist nur möglich, wenn es zu nachweisbaren Schäden (z.B. Risse durch Erschütterungen) kommt, oder wenn der Bau die Bauvorschriften verletzt. Zu beachten ist in diesem Zusammenhang vielmehr, dass die vorgesehene Aufzonung zu einer markanten Wertsteigerung des Grundstücks führen kann. Es ist dem jeweiligen Grundeigentümer überlassen, den wirtschaftlichen Vorteil zu realisieren.

 

Behauptung 9: «Umwandlung von Strukturschutzgebiet in Ortsbildschutzgebiet und Wohnzone führt zu Konflikten»

Das «Stickerquartier» wird begrenzt durch die Rösslistrasse, die Oberdorfstrasse, die Enzenbühlstrasse und die Wilerstrasse und ist gemäss Schutzverordnung der Gemeinde Flawil geschützt. Insbesondere im westlichen Teil des Stickerquartiers ist die historische Baustruktur grösstenteils nicht mehr erkennbar oder in einem schlechten baulichen Zustand. Entsprechend prüft die Gemeinde im Rahmen des Projekts, einen noch zu bestimmenden Teil des Stickerquartiers aus dem Schutz zu entlassen und in eine W20 umzuzonen. Die gut erhaltenen, östlichen Gebiete des Stickerquartiers sollen ins Ortsbildschutzgebiet übernommen werden. Dieser Vorschlag trägt einerseits den tatsächlichen Gegebenheiten im Quartier Rechnung, ermöglicht eine massvolle Entwicklung im Zentrum und schützt gleichzeitig die gut erhaltenen, historisch wertvollen Teilgebiete des Stickerquartiers.

 

Behauptung 10: «Ortsbildschutzgebiet (Stickerquartier) mit angrenzender W20 erdrückt die bestehenden Stickerhäuser»

Sofern die Umwandlung von Strukturschutzgebiet in Ortsbildschutzgebiet und Wohnzone von der Bevölkerung unterstützt wird und die zuständigen kantonalen Behörden diese bewilligen, ergibt sich unter Anwendung der vorgesehenen Grenzabstände von 4 Metern zwangsläufig ein heterogener Übergang zwischen Ortsbildschutzgebiet und Wohnzone. Um diese Tatsache zu mildern prüft die Gemeinde, den Übergang zwischen Ortsbildschutzgebiet und Wohnzone in den Bereich einer öffentlichen Strasse festzusetzen.

Begriffserklärung:

Grünflächenziffer: Die Grünflächenziffer bestimmt den Anteil des Grundstücks im Verhältnis zur Grundstücksfläche, der nicht überbaut werden darf und unversiegelt zu erhalten und natürlich bepflanzt ist. Die Grünflächenziffer ist im kantonalen Baugesetz vorgesehen und soll in der Gemeinde Flawil angewendet werden.

W20: Neue Wohnzone für die Szenarien 2 und 3 mit einer Gebäudehöhe von 20 Metern. Dies ermöglicht Gebäude mit vier bis fünf Stockwerken. Zugelassen sind auch nicht störende Gewerbebetriebe.

WG 24: Neue Wohn-Gewerbezone für die Szenarien 2 und 3 mit einer Gebäudehöhe von 24 Metern. Dies ermöglicht Gebäude mit fünf bis sieben Stockwerken

Strukturschutzgebiet: Die als Strukturschutzgebiete bezeichneten Ortsbilder sind in ihrer bestehenden historischen Siedlungsgliederung, in der vorwiegend traditionelle Stickerhäuser die Bebauungsstruktur bestimmen, zu erhalten und zu erneuern. Bauten und Anlagen müssen sich gut in die Siedlungsstruktureinfügen.

Ortsbildschutzgebiet: Die als Ortsbildschutzgebiete bezeichneten Ortsbilder sind in ihrem wertvollen Erscheinungsbild zu erhalten.

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